Deutschland als Armutsstandort? 

Deutschland gilt inter­na­tional als wohl­ha­bende Indus­trie­nation mit einem starken Sozi­al­staat. Dennoch ist für einen erheb­lichen Teil der Gesell­schaft die Wirk­lichkeit eine andere: Armut ist auch in Deutschland ein tief­grei­fendes Problem. 

Die Gene­ration von morgen — bereits heute abgehängt

Jede*r Vierte zwi­schen 18 und 24 Jahren war 2023 in Deutschland von Armut bedroht. Das ent­spricht einer Armuts­ge­fähr­dungs­quote von 25 %. Bei den unter 18-​Jährigen liegt die Quote bei 20,7 %, sodass mehr als jede*r Fünfte armuts­ge­fährdet ist.

Quelle: Mikro­zensus Kern 



Jede*r Vierte

zwi­schen 18 und 24 Jahren war 2023 in Deutschland von Armut bedroht. 

Anteil der Bevöl­kerung, die 2023 von Armut bedroht war

%

der Gesamt­be­völ­kerung sind nach Sozi­al­leis­tungen, wie Arbeitslosen- oder Wohngeld, armuts­ge­fährdet. Das sind 12,1 Mio. Men­schen in Deutschland. 




%

d.h. ein Drittel der Unter-​18-​Jährigen war im Jahr 2023 vor Aus­zahlung von Sozi­al­leis­tungen von Armut bedroht. Das sind knapp 5 Mil­lionen Kinder und Jugend­liche.




%

Nach Aus­zahlung von Sozi­al­leis­tungen ist noch knapp jede*r Siebte unter 18 Jahren armuts­ge­fährdet. Das ent­spricht etwas mehr als zwei Mil­lionen Heranwachsenden. 

Quelle: Sta­tis­ti­sches Bun­desamt 2024 (Daten­basis: EU-SILC)

Arm mit Ansage

so viele Men­schen unter 25 Jahren lebten 2023 in SGB II-​Bedarfsgemeinschaften. Das sind 11,7 % aller Kinder und Jugend­lichen unter 25 Jahren in Deutschland.
Quelle: BIAJ 2023, BIAJ 2024
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Wen es wie stark trifft*

Ø gesell­schaft­licher Mittelwert 
14.4%
ohne Erwerbstätigkeit 
50.7%
Alleinerziehenden-Haushalt 
41%
ohne deutsche Staatsangehörigkeit 
35.5%
nied­riger Bildungsstand 
31.5%

Bestimmte sozio­de­mo­gra­phische Gruppen haben ein besonders hohes Risiko für Armut und soziale Benach­tei­ligung: Neben Arbeits­lo­sigkeit bzw. feh­lender Erwerbs­tä­tigkeit gehört es zu den größten Risi­ko­fak­toren von Armut, in einem Alleinerziehenden-​Haushalt zu leben, keine deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit oder einen nied­rigen Bil­dungs­stand zu haben.

Quelle: Destatis 2023, Eurostat 2024

Aber: Auch immer mehr Nicht-​Bürgergeld-​Empfangende sind bedroht

…lebten nicht in SGB II-​Bedarfsgemeinschaften, erhielten somit keine staat­liche Grundsicherung. 

Das bedeutet: Jugend­liche haben in einer für ihre Ent­wicklung wich­tigen Phase weniger Mög­lich­keiten zur Selbst­ent­faltung und Ori­en­tierung, als Gleich­altrige in bes­ser­ge­stellten sozial-​ökonomischen Verhältnissen.

Quelle: IAB Forum 2021, BIAJ 2023, BIAJ 2024; eigene Berechnung

Wo leben armuts­ge­fährdete Kinder und Jugend­liche in Deutschland?

Die Anzahl von Stadt­teilen, in denen die Kin­der­ar­muts­quote über 30 % liegt, hat sich in Ost­deutschland im letzten Jahr­zehnt hal­biert und ist nun auf einem ähn­lichen Niveau wie in Westdeutschland.

Während im Süden per se stets weniger Kinder in Armut gelebt haben, bleibt der Norden Deutsch­lands auf einem hohen Niveau. In den Bal­lungs­räumen im Ruhr­gebiet gibt es unver­ändert viele Stadt­teile, bei denen die Quote der Kinder, die in Haus­halten mit SGB II-​Bezug leben, bei über 30 % liegt.

Bedarfs­ge­mein­schaften nach dem SGB II ent­stehen, wenn Per­sonen mit­ein­ander zusam­men­leben und eine wech­sel­seitige Ver­ant­wortung für­ein­ander über­nehmen. Zu einer Bedarfs­ge­mein­schaft gehören auch die Kinder, die im Haushalt leben und jünger als 25 Jahre sind. Vor­aus­setzung: Sie sind unver­hei­ratet, erwerbs­fähig und können ihren Lebens­un­terhalt nicht aus eigenem Ein­kommen bestreiten. Zum Ein­kommen von Kindern zählen zum Bei­spiel Kin­dergeld oder Unterhaltszahlungen.

Quelle: Bun­des­agentur für Arbeit

Armut ist nicht gleich Armut

Das Problem, Jugend­armut genau zu bestimmen

Je nach Daten­grundlage und Berechnung unter­scheiden sich die Kenn­zahlen zur Armuts­ge­fährdung von Men­schen. Wie sehr, wird klar, wenn die ver­schie­denen Indizes anhand der aktu­ellen Zahlen aus 2023 ver­glichen werden.

Alters­gruppe U18 (je Index)

Alters­gruppe 18–25

Alters­gruppe 18–65 Jahre

Wie wird Armut gemessen?

Armut objektiv zu messen ist schwierig, weil sie in Teilen auch ein sub­jek­tives Emp­finden ist – oder sich Fak­toren wie man­gelnde Teilhabe schwer sta­tis­tisch dar­stellen lassen. Fol­gendes hat sich jedoch durchgesetzt.

  • Als absolute Armut ist der Zustand defi­niert, in dem sich „ein Mensch die Befrie­digung seiner wirt­schaft­lichen und sozialen Grund­be­dürf­nisse nicht leisten kann”. 
  • Relative Armut beschreibt Armut im Ver­hältnis zum jewei­ligen gesell­schaft­lichen Umfeld eines Men­schen”. 

Quelle: BMZ

  • EU-​SILC (European Union Sta­tistics on Income and Living Con­di­tions) ist die amt­liche Haupt­da­ten­quelle für die Messung von Armut und Lebens­be­din­gungen auf Bun­des­ebene und in den EU-​Mitgliedstaaten. Neben Indi­ka­toren zur Armuts­ge­fährdung und Ein­kom­mens­ver­teilung werden auch Indi­ka­toren zur sozialen Aus­gren­zungs­ge­fährdung, zu mate­ri­ellen Ent­beh­rungen und zum Zurecht­kommen der Haus­halte mit dem Ein­kommen erhoben. Die ein­kom­mens­ba­sierten Indi­ka­toren werden anhand eines dif­fe­ren­zierten Ein­kom­mens­kon­zepts auf der Grundlage des Vor­jah­res­ein­kommens ermittelt. (Quelle: Destatis)
  • Armut oder soziale Aus­grenzung ist bei diesem Index dann gegeben, wenn eines oder mehrere der drei Kri­terien “Armuts­ge­fährdung”, “erheb­liche mate­rielle Ent­behrung” oder “Haushalt mit sehr geringer Erwerbs­be­tei­ligung” vor­liegen. (Quelle: Destatis) Der Schwel­lenwert für monetäre Armut liegt bei einer allein­ste­henden Person bei diesem Index bei 15.765 Euro Haushaltseinkommen/​Jahr. Für zwei Erwachsene, die zusammen mit zwei Kindern in einem Haushalt leben, liegt der Schwel­lenwert 2023 bei 33.106 Euro. (Quelle: Destatis)

Mit dem Kern­pro­gramm des Mikro­zensus (MZ-​Kern) als natio­naler Erhebung wird rund 1 % der deut­schen Gesamt­be­völ­kerung zur wirt­schaft­lichen und sozialen Lage befragt. Auf Basis einer Selbst­ein­stufung, klas­siert und pau­schal erho­benen monat­lichen Haus­halts­net­to­ein­kommens im jewei­ligen Berichtsjahr lassen sich Indi­ka­toren zur Armuts­ge­fährdung und Ein­kom­mens­ver­teilung ermitteln, die auf­grund des großen Stich­pro­ben­um­fangs eine tiefere fach­liche Unter­glie­derung auf Ebene der Bun­des­länder sowie eine regionale Dar­stellung der Indi­ka­toren ermög­lichen. (Quelle: Destatis)

Der AROPE-​Indikator (At Risk Of Poverty or Social Exclusion) ist eine weitere, zen­trale sta­tis­tische Kenn­ziffer für die Messung von Armuts­ge­fährdung oder sozialer Aus­grenzung. Dieser Indi­kator ent­spricht der Summe der Per­sonen, die armuts­ge­fährdet sind oder unter mate­ri­ellem Verlust leiden oder in Haus­halten mit sehr nied­riger Erwerbs­tä­tigkeit leben. Alle Per­sonen werden nur einmal gezählt, auch wenn sie in meh­reren Sub-​Indikatoren ver­treten sind. (Quelle: bpb)

Jugend in Sorge

0%

der Jugend­lichen sorgen sich davor, mit ihrer Familie in Armut leben zu müssen. Diese Zahl ist von 52 % im Jahr 2019 deutlich gestiegen. Dabei machen sich Jugend­liche aus Ost­deutschland im Ver­gleich zu Jugend­lichen aus West­deutschland mehr Sorgen.

Quelle: Shell Jugend­studie 2024

Die per­sön­liche Zufrie­denheit mit der finan­zi­ellen Lage zeigt unter 14- bis 29-​Jährigen in den letzten Jahren einen rapiden Abwärts­trend. Laut der Trend­studie Jugend in Deutschland 2024 sank der Indexwert von 0,24 im Jahr 2022 auf 0,04 Punkte im Jahr 2024.

Quelle: Trend­studie Jugend in Deutschland 2024

Damit einher geht auch die Abnahme der per­sön­lichen Zufrie­denheit mit den beruf­lichen Chancen unter 14- bis 29-​Jährigen. Der Indexwert von 0,58 im Jahr 2022 ging auf 0,46 im Jahr 2024 zurück. Dies spiegelt eine wach­sende Skepsis und Unsi­cherheit junger Men­schen in Bezug auf ihre beruf­liche Zukunft wider, ver­schärft durch wirt­schaft­liche Unsi­cher­heiten und Ver­än­de­rungen am Arbeitsmarkt

Quelle: Trend­studie Jugend in Deutschland 2024

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